Ich dachte ja: Wenn ich eine Liste führe mit dem Bullshit, den ich dieses Jahr privat und freiwillig und selbstständig und total diszipliniert so lese, werde ich es sicherlich schaffen, auch mal mehr als 3 halbe Bücher zu lesen. So wirklich will das nicht klappen, aber ich kopiere trotzdem mal mein Geschreibsel aus dem Forum, in dem ich fast schon so oft gebannt war wie im Untergrundforum, für das aktuelle Büchlein hier rein.
1. Das Osmanische Reich (Josef Matuz)
2. Corpus Draculianum Bd.3
3. Who’s Afraid of Gender? (Judith Butler)
4. Die Welt im Rücken (Thomas Melle)
5. Dracula. Das Leben des Fürsten Vlad Tepes (Ralf-Peter Märtin)
6. Dracula. Leben und Legende (Heiko Haumann)
7. Statusmeldungen (Stefanie Sargnagel)
8. 100 Jahre Weird Tales Jubiläumsedition. Band 1: 1923 bis 1929 (diverse)
9. Geschichte des frühen Siebenbürgens (895-1324) (Gyula Kristó)
10. Flexen in Miami (Joshua Groß)
11. Fidel Castro (Roman Rhode)
12. Maus: A Survivor's Tale (Art Spiegelman)
13. Die Stadtverwaltung Mülheim an der Ruhr im Nationalsozialismus (Kyra Sontacki)
14. Siedlerkolonialismus. Grundlagentexte des Paradigmas und aktuelle Analysen (diverse)
15. The League Against Imperialism. Lives and Afterlives. (diverse)
In über einem Monat nur ein 400-Seiten Buch geschafft. Erbärmlich, aber so ist das!
The League Against Imperialism ist ein fantastisches Buch über die gleichnamige Organisation LAI, auf deren Kongressen für relativ kurz in der Zwischenkriegszeit 1927-1937 unzählige Aktivisten o.ä. sowie weitere Interessierte (Nehru, Sukarno, Kenyatta, Einstein, Ghandi, Münzenberg, etc.) aus unterdrückten "Kolonien" und ähnlichen Gebilden aller Welt sich zusammenfanden, um transnationale Solidarität und Netzwerke zu schmieden und zu stärken sowie den Kampf gegen imperiale Unterdrückung anzugehen.
Das Buch ist globalgeschichtlich angelegt, es werden in den einzelnen Beiträgen also unterschiedlichste Regionen, Akteure, Lebensrealitäten behandelt, aber nicht nur bezüglich der Zeit, während der es die LAI tatsächlich gab (1927-37), sondern auch in den "Afterlives", den Echos, die bis in die 1950er und später reichen. Cool an den einzelnen Beiträgen ist, dass sie alle irgendwie miteinander kommunizieren, da sie ähnlich verortet sind, aber trotzdem völlig unterschiedliche Bereiche abarbeiten.
Besonders am Anfang der Liga, im Grunde während des konstituierenden Kongresses in Brüssel 1927, stellt sie eine kurzen Höhepunkt linker transnationaler Solidarität dar - ein Vormarsch der Einheitsfront, in der Kommunisten zusammen mit Nationalisten und Sozialdemokraten für eine bessere Welt streiten. Stalins Wechsel zur "Klasse gegen Klasse"- und "Sozialismus in einem Land"-Doktrin, die er nach Lenins Tod gegen Trotski durchsetzt, beendet diesen Einheitsfront-Gedanken kurz darauf zwar schon (der direkte Einfluss der Comintern wird größer), aber er blitzt vor allem nach dem 2. Weltkrieg auch wieder auf. Heute sind es eher die konservativen und rechten, die sehr starke transnationale Netzwerke haben, die erfolgreich und einflussreich in der ganzen Welt sind.
Das Buch bietet natürlich Unmengen an Schlaglichtern in die unterschiedlichsten Regionen. Hier lernt man einiges über Indien, Lateinamerika, Algerien, den arabischen Antikolonialismus, Südafrika, China, Willi Münzenberg (und viele andere Akteure wie Nehru), der Comintern, Großbritannien, Antirassismus, Repressalien, die solche Aktivisten erfuhren, aufkommende Probleme, entstehende Risse usw.
Eine daran perfekt anschließende Lektüre stellt der Sammelband
The Anticolonial Transnational dar, der den Fokus auf die Transnationalität nochmal erhöht.
Bei mir geht es aber weiter mit dem üblichen: Meine Weird Tales-Bände werde ich sicherlich in 300 Jahren irgendwann fertig lesen, eine Reise durch Literatur und Kunst hab ich mit der "Lust am Unheimlichen" für die spooky season auch immer noch auf dem Tisch liegen und das Rätsel von "Kubas Weg zur kostenlosen Bildung für alle" will auch ergründet werden. Bei meiner Lesedisziplin und -geschwindigkeit werde ich mich also frühestens 2028 nochmal melden!