Prince of Persia The Lost Crown
Schon beim ersten Trailer war ich hellauf begeistert. Man sieht deutlich, dass sich die Entwickler aus Frankreich von Metroid Dread aus Spanien haben inspirieren lassen. Dann kam eine Demo raus, und die hatte mich eher kalt gelassen. Fühlte sich alles gut an und war spielerisch super, doch hielt mich vom Kauf ab. Aber manchmal kommt eine Biene geflogen.
Muss wirklich sagen, rein spielerisch gehört das hier zu den besten Metroidvanias, die ich gespielt habe, und das bedeutet einiges, weil die meisten Metroids und SotN Videospielmeilensteine sondergleichen sind. Das liegt erstens am wunderbar fluffigen Movement und am fantastischen Kampfsystem, das deutlich weitergeht als viele andere Genrevertreter. Man hat hier ein Kombosystem, air juggling, Ausweichen/slide (1:1 aus Metroid Dread lol), parry und zig Special Moves und andere Supportsachen (Bogen z.B.), die alle miteinander kombiniert werden können. Es macht mega Spaß, einen sweep zu machen, dann den Gegner in die Luft zu knallen, dem automatisch zu folgen und ihn zu jugglen (wo man dann immer mehr Optionen bekommt, diesen aufrechtzuerhalten). Es gibt sehr viele unterschiedliche Gegnertypen, bei denen jeweils andere Taktiken am besten sind. Dann gibt es durch die vielen Amulette eine Menge Möglichkeiten, Sachen wie den Parry noch geiler zu machen und alles auf seinen Spielstil hin zu bauen und die neuen Fähigkeiten erweitern stetig, was man im Kampf alles kreativ einsetzen kann.
Zum tollen Kampfsystem gesellen sich im Grunde super spaßige Bosse, die teilweise echt coole Ideen haben (der im Wald gefiel mir sehr). Leider gibt es da ein paar Probleme. Jeder Boss folgt exakt dem gleichen Schema, was Phasenübergänge angeht, wodurch spätere Bosse dadurch natürlich nicht mehr überraschen können. Man kann im Spiel besondere Konter ausführen, indem man gold leuchtende Attacken pariert. Das führt bei normalen Gegnern schon zu einer kurzen, dezent cringigen(das Spiel ist generell maximal Ubisoft-cringe-edgelord-bullshit) Cutscene, aber bei Bossen sind diese besonderen Konter noch länger. Der Schaden ist zwar gut, aber das nervt mit der Zeit. Auch das hat man sich aus Dread geklaut. Da war es auch schon nervig, aber man konnte immerhin währenddessen Raketen schießen. Nun gibt es aber in jedem Bosskampf noch mindestens eine Cutscene (das kann man skippen!) und viele Bosse haben einen Special Move, der dich, wenn du getroffen wirst, in eine Cutscene zwingt, wo du dir im Zweifel beim Sterben zuschauen darfst. Das sieht zwar ab und zu ganz gut aus (wenn man edgy anime übertrieben alles explodiert mag), aber durch die vielen Unterbrechungen leiden die Bosskämpfe ein wenig. Das ist schade, denn an und für sich sind die Bosskämpfe grandios. Das ist jetzt kein Killer für das Spiel oder die Bosse, aber weniger wäre hier viel mehr gewesen.
Ich halte das Spiel für ordentlich anspruchsvoll. Ich habe auf der 2. höchsten Schwierigkeitsstufe (man kann alles einzeln individualisieren, wenn man will) angefangen und später dann auf den höchsten Schwierigkeitsgrad gewechselt, als es mir zu einfach wurde. Dann muss alles sitzen und einige Bosse haben schon mehrere Versuche gebraucht. Leider war der Endgegner ein bisschen öde. Anspruchsvoll (und grandios!) sind aber in Lost Crown nicht nur die Bosse, sondern allen voran das Platforming. Hier wird vom Casual denke ich einiges abverlangt, es gibt teils sehr lange Sprungeinlagen mit knappen Zeitfenstern, wegfallenden Plattformen, Mechaniken wo man noch während des Platformings was umschalten muss und und und. Hat mir sehr gut gefallen. Das Spiel bietet dafür auch einiges an Movement-Optionen.
Was diese (und andere neue Fähigkeiten, die man lernt) angeht, kränkelt Lost Crown ein bisschen, da man diese neuen Fähigkeiten für meinen Geschmack mit zu großem Abstand bekommt. Das liegt daran, dass das Spiel und die Welt viel zu groß sind (danke an das m.E. überbewertete Hollow Knight, das lange Metroidvanias normalisierte). Ich bin mit dieser Kritik wahrscheinlich alleine, aber ich finde, dass Metroidvanias kurze Spiele zu sein haben. 5-12 Stunden. Die 15-20 Stunden, die man hierfür beim normalen Durchspielen braucht, halte ich für zu viel. Wie auch immer: Wegen der breit gestreuten Fähigkeiten, von denen es einige coole kreative gibt, muss es natürlich mehr Systeme geben, damit man beim Erkunden auch was finden kann. Hier ist unheimlich viel versteckt. Von Health Upgrades über Kristalle (Hauptwährung), die man für alles mögliche ausgeben kann (Waffen/Amulette upgraden, Maps, Heilungsstärke- und -häufigkeit usw usf) über Lore-Items gibt es einiges. Die Kristalle sind über eine gewisse Zeit durchaus motivierend, weil man sie für wichtige Sachen braucht, aber wenn die Welt kleiner wäre und es mehr richtige Fähigkeiten gäbe, müsste man nicht so viel für passive Upgrades bereitstellen. Irgendwann ist es nichit mehr sonderlich belohnend, für eine schwere Platforming-Sektion ein paar Kristalle zu bekommen. Die ganzen Lore-Items, die im Grunde nur Texte sind, haben mir persönlich aber gar nichts gegeben ... Sicher ist es auch keine Lösung, es einfach nur wie Metroid zu machen, denn es ist nun sich so, als wäre das 12. Missile Upgrade berauschend.
Das Leveldesign ist ordentlich und ist am ehesten vergleichbar mit Hollow Knight. Es gibt unzählige clevere Verstecke, Geheimwege und Puzzle. Durch ein paar Fähigkeiten, die mit der Prince of Persia-typischen Zeitmanipulation zu tun haben, gibt es echt coole Herausforderungen und Puzzle. Da wird viel geboten, es ist echt eine Content-Bombe. Häufig kann man durchaus besondere Sachen finden und wird gerne mit einer coolen Herausforderung belohnt - so macht man das! Nebenquests gibt es auch. Teils folgt man denen das ganze Spiel. Wirkt teils etwas beliebig, aber gibt immerhin ab und zu gute Belohnungen. Ich hätte mir hin und wieder eine größere Verzahnung mehrerer Gebiete gewünscht, aber overall ist das top notch.
Es gibt viele unterschiedliche Settings. Gerade am Anfang langweilte mich das Spiel dahingehend, aber später entspricht das schon eher meinem Geschmack. Grafisch reißt das Spiel keine Bäume aus, aber es sieht gut genug aus und es ist fantastisch animiert. Die Hintergründe sind meistens eher belanglos, aber es gibt auch so coole Szenen, wo die Zeit im Hintergrund eingefroren ist. Das sieht richtig geil aus und sorgt für Highlights.
Das Spiel hat mehr direkte Story als vergleichbare Spiele, weswegen der Spielfluss gerade am Anfang gerne von Gelaber unterbrochen wird. Zunächst hat mich die Story überhaupt nicht gecatched, jetzt nach dem Ende muss ich sagen, dass sie nett ist. Aus dem Setting Persien hätte man denke ich aber auch mehr machen können.
Eine weitere Schwäche ist die Atmosphäre des Spiels, was sehr mit der Musik zusammenhängt. So wirklich will eine Metroidvania-typische Isolation nicht aufkommen und die Atmosphäre ist nicht sonderlich dicht (mit ein paar positiven Ausnahmen, die mir sehr gefallen haben). Die Musik ist leider viel zu zurückhaltend und zwar in allen Bereichen: Level, Bosse ... manchmal weiß man nicht so recht, wo man stilistisch mit der Musik eigentlich hin wollte. Das hängt sicherlich auch mit dem komischen Character Design zusammen, das mir einen Touch zu edgy ist.
Jetzt hab ich viel gemeckert, aber ich meins ernst, wenn ich sage, dass das grandios ist. Wenn man den Ubisoft-cringe runterschlucken kann, dann hat man hier eines der besten Metroidvanias der letzten Jahre, das sich selbst vor einem Metroid Dread nicht verstecken braucht. Es ist unglaublich löblich, wie viel cooles Platforming hier drin ist. Auch was an optionalen Sachen geboten wird, ist wirklich gut: Zig dedizierte Challenges, die man vom Hub aus spielen kann, man kann gegen alle Bosse in allen Schwierigkeitsstufen nochmal kämpfen, es gibt einen Boss Rush freizuschalten ... und wenn einem das nicht genügt, kann man einen Permadeath Modus oder einen Speedrun Modus spielen ... DLC gibt es auch, aber den spiele ich jetzt erstmal nicht, vielleicht später!
Ich hab gehört, dass sich Prince of Persia The Lost Crown nicht so gut verkauft hatte. Das ist sehr schade. Rein vom Gameplay her hätte ich den Entwicklern jeden Erfolg gegönnt, denn da hat man maximal abgeliefert.
9/10